Vererben und vermachen in Europa

Das EuGH-Urteil Rs. C-218/16 Kubicka und deutsch-polnische Vermögen

1.) Das Vererben von Gegenständen nach BGB

Nach dem BGB rückt der Erbe in sämtliche Rechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen ein – er wird unmittelbarer Eigentümer der Immobilie, des Aktienpaketes, sogar der Zahnbürste.  Man spricht auch von der „Fußstapfentheorie“, § 1922 Abs. 1 BGB.

Das unmittelbare Vererben von einzelnen Gegenstände hingegen ist technisch nicht möglich. Einzelne Gegenstände können lediglich „vermacht“ werden, §§ 1939, 2174 BGB. Der Vermächtnisnehmer erhält dabei „nur“ einen Anspruch auf etwas, das der Erbe noch per Vertrag erfüllen muss. Streitig ist dann oft, wem bis bis zur Erfüllung des Vermächtnisses die Früchte gebühren (z.B. die Mieteinnahmen einer vermachten Immobilie), oder was gilt, wenn Gegenstand beim Erbfall nicht mehr vorhanden ist.

Nach deutschem Recht ist der Vermächtnisnehmer also nicht Nachfolger des Erblassers, auch nicht in Bezug auf den ihm zugedachten Gegenstand. Das BGB kennt – seit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 1900 – nur den vom Erben noch zu erfüllenden Anspruch, das sogenannte Damnationslegat.

2.) Polnisches Erbrecht

Andere Rechtsordnungen als die deutsche sind großzügiger:

Nach polnischem Erbrecht etwa kann der Erblasser bestimmen, dass z.B. die Tochter ein Haus unmittelbar erben soll, während im Übrigen die Ehefrau Erbin ist. Dies ergibt sich aus Art. 981 § 1 Kodeks Cywilny (Zivilgesetzbuch Polen):

„Der Erblasser kann in einem in Form einer notariellen Urkunde errichteten Testament bestimmen, dass eine bestimmte Person den Gegenstand des Vermächtnisses im Zeitpunkt des Erbfalls erwirbt.“

Man spricht von einem sogenannten Vindikationslegat.

3.) Das Vindikaktionlegat im BGB

a) Seit der (von einem klugen Notar aus Słubice in Polen provozierten) EuGH-Entscheidung Kubicka, Urteil vom 12.10.2017 – Rs. C-218/16 lassen sich unmittelbar wirkende Vermächtnisse auch in die deutsche Rechtsordnung „einschleusen“:

Danach muss z.B. das Grundbuchamt in Berlin oder das Handelsregister ein Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) nach polnischem Erbrecht akzeptieren, in dem solche Legate gem. Art. 68 Buchst. m EU-Erbrechtsverordnung aufgeführt sind.

Polnisches Erbrecht kann in Deutschland z.B. zur Anwendung kommen, wenn ein in Deutschland, Schweden, Großbritannien oder Irland lebender polnischer Staatsbürger polnisches Erbrecht  als sein Heimatrecht wählt, Art. 22 EU-Erbrechtsverordnung, und eine Immobilie oder Bankvermögen in Deutschland vorhanden sind. Zudem gab in Polen es auch vor Inkrafttreten der EU-Erbrechtsverordnung weitreichende Möglichkeiten der Rechtswahl, auch zu Gunsten des Wohnsitzlandes (Art. 64 IPR-Gesetz 16.05.2011; siehe auch OLG Schleswig, Beschluss vom 25.4.2016 – 3 Wx 122/15).

b) Die deutschen Gerichte werden das polnische Erbrecht aber nicht gerade „lieben“. Potentiell müssen zu allen möglichen Rechtsfragen Gutachten von polnischen Experten eingeholt werden. Das kann die Nachlassabwicklung erheblich verzögern.

Befindet sich das Vermögen überwiegend in Deutschland, dürfte es deshalb nur wenige familiäre Konstellationen geben, in denen eine „taktische“ Wahl des polnischen Erbrechts wirklich Vorteile bringt.

Mögliche Kostenvorteile durch Grundbuchumschreibungen und Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen „ohne Notar“ dürften das Risiko, dass es bei Streitfällen zu komplizierten und teuren Verfahren kommt, nicht aufwiegen.

Auch das gegenüber dem polnischen Steuerrecht teurere deutsche Erbschaftssteuerrecht kann allein durch die Wahl polnischen Erbrechts nicht „abgewählt“ werden, § 2 ErbStG.

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