Aktuelles

1. OLG Karlsruhe zum „gewöhnlichen Aufenthalt“ im Sinne von Art. 4 und 21 Abs. 1 EU-Erbrechtsverordnung, wenn der Erblasser in einem ausländischen Pflegeheim stirbt

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OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22. Juli 2024 – Aktenzeichen 14 W 50/24

Der Sachverhalt:

Ein deutscher Staatsbürger, der sein ganzes Leben in Deutschland verbrachte, wurde nach einer Demenzerkrankung in einem Pflegeheim in Polen untergebracht. Er hatte weder Vermögen in Polen, noch sprach er Polnisch oder hatte familiäre oder soziale Verbindungen dorthin.

Er wurde von seiner Ehefrau dort untergebracht und konnte dem krankheitsbedingt nicht mehr zustimmen.

Der Erblasser starb im Jahr 2023 nach einem etwa 6-monatigen Aufenthalt in dem Pflegeheim in Polen. Er hinterließ keine Abkömmlinge.

Die hinterbliebene Ehefrau stellte beim Nachlassgericht Singen in Deutschland einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheines als Alleinerbin.

Das Amtsgericht Singen wies den Antrag aufgrund fehlender internationaler Zuständigkeit zurück. Da der Erblasser zuletzt in Polen gelebt habe, müsse die Ehefrau dort einen Erbnachweis wie z.B. ein Europäisches Nachlasszeugnis beantragen.

Dagegen richtete sich die Beschwerde der Ehefrau.

Die Entscheidung:

Die Beschwerde hatte Erfolg.

Das OLG Karlsruhe stellte in diesem Fall fest, dass die deutschen Gerichte zur Entscheidung über den beantragten Erbschein international zuständig seien.

Für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts in dem Land, in dem sich das Pflegeheim befindet, müsse ein sogenannter Bleibewille (animus manendi) des Erblassers vorliegen.

Die Auslegung des „gewöhnlichen Aufenthalts“ habe dabei unter Berücksichtigung des Einzelfalls, sowie der Erwägungsgründe 23 und 24 der europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) zu erfolgen.

Nach den Erwägungsgründen 23 und 24 seien die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts und die Umstände und Gründe für die Präsenz im betreffenden Staat zu berücksichtigen. Ebenso wichtig seien aber der Wille des Erblassers, in dem Staat den ständigen und gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Interessen zu begründen und dem Aufenthalt Beständigkeit zu verleihen, sowie familiäre und soziale Bindungen, die Belegenheit der wesentlichen Vermögensgegenstände im Staat sowie Sprachkenntnisse.

In objektiver Hinsicht müsse in der Regel ein tatsächlicher Aufenthalt, also körperlicher Anwesenheit gegeben sein.

In subjektiver Hinsicht sei in Fällen wie dem vorliegenden aber das Vorliegen eines Bleibewillens erforderlich, also ein nach außen manifestierter (sichtbarer) Wille, seinen Lebensmittelpunkt am Ort des tatsächlichen Aufenthalts auf Dauer zu begründen.

Es fehle an diesem notwendigen Bleibewillen, wenn pflegebedürftige Personen in einem ausländischen Pflegeheim untergebracht werden und zum Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels – aufgrund einer Demenzerkrankung – keinen eigenen Willen mehr bilden können.

Der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Sinne der EUErbVO sei demnach weiterhin Deutschland.

Insbesondere der Umstand, dass sich mit den zur Verfügung stehenden Mitteln eine Unterbringung in einem deutschen Pflegeheim nicht finanzieren ließ, spreche gegen einen Bleibewillen. Zusätzlich war der Erblasser der polnischen Sprache nicht mächtig und es war mit seiner zunehmenden Demenz nicht zu erwarten, dass er in Polen soziale Beziehungen eingehen würde. Damit habe er keinen persönlichen Bezug zu Polen gehabt, der über die bloße Unterbringung hinausging.

Er habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland deshalb – rechtlich gesehen – nicht aufgegeben.

2. Ukraine:

Die Swane & Block Partnerschaft unterstützt  u.a. den gemeinnützingen Verein Coopera e.V. in Berlin, der vom Auswärtigen Amt gefördert wird und sich für demokratische „Grassroot-Prozesse“ in der Ukraine, in Belarus und in der Russischen Föderation einsetzt. Aktuell bietet der Verein aus Russland und Belarus geflüchteten Journalisten und anderen Medienschaffenden die Möglichkeit, von Berlin aus zu arbeiten, um Menschen in ihren Heimatländern medial zu erreichen.

Für ein möglichst vollständiges Bild der Medien in den vorgenannten Ländern lohnt sich die Internetseite Dekoder.org, die mehrfach mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet worden ist. Auf Dekoder.org wird Qualitätsjournalismus in die deutsche Sprache übersetzt. Die Swane & Block Partnerschaft von Rechtsanwälten unterstützt regelmäßig auch diese Initiative.

 

3. Rechtsanwalt Swane auch 2024 auf der Focus-Liste der „Top Erbrechtsanwälte“ Deutschlands

Nach 2020, 2021, 2022 und 2023 ist Rechtsanwalt Torben Swane auch im Jahre 2024 als Top-Rechtsanwalt im Erbrecht ausgezeichnet worden.

Grundlage der  neuen „Focus-Liste“ sind Befragungen von mehr als 20.000  Fachanwälten und Fachanwältinnen in ganz Deutschland.

Informationen zur Methodik der Erhebung finden Sie hier.

Das gesamte Team freut sich über die Lorbeeren!

                                               

4. Bundesgerichtshof zu Artikel 22 EU-ErbVO

Die Abwahl des deutschen Pflichtteils durch Rechtswahl eines ausländischen Erbrechtes – hier von England & Wales – kann gegen den deutschen „ordre public“ verstoßen und deshalb unwirksam sein

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BGH, Urteil vom 29. Juli 2022, Aktenzeichen IV ZR 110/21

  English Version

Der Sachverhalt: Ein in Deutschland lebender Brite traf in seinem 2015 errichteten Testament eine Rechtswahl zu Gunsten des englischen Erbrechts. Seinen Adoptivsohn schloss er vollständig von der Erbfolge aus.

Der Sohn klagte und verlangte von der Alleinerbin Auskunft über den Bestand des Nachlasses, um seinen Pflichtteil  beziffern zu können (§§ 2303 ff. BGB).

Zentrale Frage der Entscheidung war, ob das Fehlen eines bedarfsunabhängigen Pflichtteilsanspruchs im Erbrecht von England und Wales gegen den die deutsche öffentliche Ordnung („ordre public“) verstößt.

Diese in Art. 6 EGBGB und Art. 35 EuErbVO verankerte Bestimmung ermöglicht es dem Gerichtsstaat, im Einzelfall wesentliche Grundsätze und Werte des eigenen materiellen Rechts zu wahren und gegen das durch Rechtswahl berufene ausländische Recht („lex causae“) durchzusetzen.

Die Entscheidung: Der Bundesgerichtshof stellte für den Einzelfall fest, dass das deutsche Pflichtteilsrecht nicht „abgewählt“ werden dürfe. Es liege ein Sachverhalt mit „hinreichend starkem Inlandsbezug“ vor, so dass die Vorgaben des Grundgesetzes zu beachten seien. Und dieses schütze in Art. 14 und Art. 6 GG eben auch den Pflichtteil.

Dem Kläger stehe deshalb der volle Pflichtteil zu. Deshalb habe er auch ein Recht auf Auskunft, § 2314 BGB.

Nach Art 35 EuErbVO müsse die Anwendung ausländischen Rechts in dem Umfang versagt werden, in dem andernfalls ein starker Widerspruch zwischen dem Ergebnis dieses Rechts und wesentlichen Grundgedanken des nationalen Rechts bestehe.

Dies sei vorliegend aus folgenden Gründen der Fall:

Das Erbrecht von England & Wales kenne keinen bedarfsunabhängigen Pflichtteil. Vielmehr stehe die Entscheidung über das Bestehen und über die Höhe einer Zuwendung nach dem „Provision for Family und Dependants Act 1975″ vollständig im Ermessen des ausländischen Gerichts.

Damit kollidiere die Rechtswahl mit der in Art. 14 und Art. 6 des Grundgesetzes verankerten deutschen Erbrechtsgarantie, deren Bestandteil das Pflichtteilsrecht sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfGE 112, 332 = Beschluss vom 19. April 2005, veröffentlich bei NJW 2005, 1561) garantiert das Grundgesetz, dass die Teilhabe der Kinder am Nachlass der Eltern nicht von deren Bedürftigkeit abhängig gemacht werden darf und eine wirtschaftliche Mindestbeteiligung in jedem Fall bestehen muss.

Das deutsche Recht knüpfe, so das Bundesverfassungsgericht, an eine „unauflösbare Beziehung zwischen Eltern und Kind“ in Form einer „Familiensolidarität“ an und leite daraus eine „familienschützende Funktion des Pflichtteilsrechts“ ab. Das Pflichtteilsrecht diene als „Fortsetzung des ideellen und wirtschaftlichen Zusammenhangs von Vermögen und Familie“, unabhängig von einem konkreten Bedarf des Kindes über den Tod des Vermögensinhabers hinaus.

Die Konsequenz: Bestehende Testamente und Erbverträge mit einer ausdrücklichen oder schlüssigen, konkludenten Rechtswahl zu Gunsten des Erbrechtes von Rechtsordnungen, die keinen Pflichtteil vorsehen, z.B. England & Wales, Irland, Schweden, Israel, bedürfen der Überprüfung.

Der BGH betonte, dass die konkrete Ausgestaltung und die Höhe einer Mindestteilhabe oder die genauen Quoten verfassungsrechtlich nicht vorgegeben seien (vgl. zum Beispiel auch die Reform des Pflichtteilsrecht in der Schweiz).

Die aktuelle, auf das BGB vom 1. Januar 1900 zurückgehende, historisch an Unterhalt anknüpfende Ausgestaltung des Pflichtteilsrechts (= Pflichtteil entspricht wertmäßig der Hälfte des Erbteils, § 2303 BGB) ist deshalb nicht mit einer Mindestteilhabe gleichzusetzen.

Sofern ein „hinreichend starker Inlandsbezug“ zu Deutschland gegeben ist und das Grundgesetz deshalb zu beachten, kann eine Mindestteilhabe deshalb auch durch Bestimmungen im Testament hergestellt werden.

Dazu beraten wir Sie gerne.

Die anderen Bestimmungen des Erbrechtes von England & Wales konnten in dem Fall des in Deutschland verstorbenen Briten übrigens wirksam gewählt werden.

Neben einer Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen kann es eine Reihe von weiteren Gründen für die Rechtswahl ausländischen Rechts geben.

 

5. OLG Naumburg zu gefälschten Testamenten

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Erbunwürdigkeit wegen Urkundenfälschung?

Die Anforderungen sind hoch, gerade beim „Berliner Testament“

1. Nur ein Schriftgutachten, das zu dem Ergebnis kommt, dass eine Schrift „mit Sicherheit“ von einer bestimmten Person stammt, kann ohne weitere Beweisanzeichen Grundlage einer Verurteilung wegen Urkundenfälschung sein, also allein den vollen Beweis für eine Erbunwürdigkeit nach § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB erbringen. Eine sachverständige Bewertung „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ vermag den Vollbeweis hierfür (noch) nicht zu erbringen, so dass durchgreifende starke Beweisanzeichen für eine Täterschaft hinzutreten müssen.

2. Eine Einordnung durch einen Sachverständigen, dass „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ eine Fälschung gegeben ist, liegt nur zwei Stufen oberhalb der Stufe „non liquet (= nicht entscheidbar bzw. beweisbar). Deshalb bedarf es für den Vollbeweis einer Erbunwürdigkeit im Zivilprozess mindestens ergänzender starker Indizien.

3. Entscheidend ist sodann, dass (auch) die Unterschrift gefälscht ist, denn nur dadurch wird eine Urkunde hergestellt, die vermeintlich vom Erblasser stammt.

4. Die einer Urkundenfälschung verdächtige Ehegattin hat sich deshalb nicht strafbar gemacht, wenn sie nur die weiteren Bestandteile geschrieben haben soll. Grund ist, dass beim „Berliner Testament“ nach § 2267 BGB  genügt, wenn einer der Ehegatten den Testamentstext schreibt und der andere Ehegatte nur unterschreibt.

OLG Naumburg, Urteil vom 13. Mai 2020, Az. 12 U 15/19, hier abrufbar.

Beratung zu Ihrem Einzelfall:

Rechtsanwalt Swane

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6. BGH zur Rechtswahlen in gemeinschaftlichen Testamenten

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a) Bindende Ehegattentestamente  sind in internationalen Fällen wie Erbverträge zu behandeln (Art. 3 Abs. 1 b) EU-ErbVO).

b) Eine Deutsche und ein Österreicher z.B. können deshalb für ihr „Berliner Testament“ die Bindungswirkungen des deutschen Erbrechts wählen (Art. 25 EU-ErbVO); nicht aber deutsches Recht insgesamt.

c) Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Testament eine konkludente, stillschweigende Rechtswahl zu Gunsten des deutschen Erbrechts enthält, ist ein großzügiger, europarechtlicher Maßstab anzulegen.

BGH, Beschluss vom 24. Februar 2021 zum Aktenzeichen IV ZB 33/20 (der Beschluss ist hier abrufbar)

 

 7. BGH zu Rechtswahlen, die vor Inkrafttreten der EU-Erbrechtsverordnung 2015 getroffen wurden

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BGH, Beschluss vom 10. Juli 2019, Aktenzeichen IV ZB 22/18 (der Beschluss  ist hier abrufbar)

Der Sachverhalt: Eine deutsche Staatsbürgerin und ein italienischer Staatsbürger lebten gemeinsam mit ihren beiden Kindern auf der Insel Sylt.

Im Oktober 1998 schlossen sie einen Erbvertrag und setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Zudem erklärten die Lebensgefährten – was zu diesem Zeitpunkt rechtlich nicht möglich war – dass hinsichtlich aller Regelungen über das Erbrecht ausschließlich das deutsche Erbrecht gelten solle und vereinbarten „als Rechtswahl das deutsche Erbrecht“.

Als am 26. April 2017 die Frau verstarb, ging es um die Frage, ob Erbvertrag und Rechtswahl rechtsgültig sind mit der Folge, dass einem späteren, nach 1998 errichteten Testament die Wirksamkeit zu versagen war.  Zudem stand die Gültigkeit des Erbvertrages in Italien in Zweifel.

Der Bundesgerichtshof erklärte den Erbvertrag und die Rechtswahl für gültig.

Zur Begründung führte der 4. Zivilsenat u.a. aus, die in Art. 83 EU-ErbVO enthaltenen Übergangsbestimmungen zur Anerkennung älterer Verfügungen sollten diesen „möglichst zur Gültigkeit verhelfen“.

Dem stehe der Vertrauensschutz nicht entgegen: Solange der Erbfall am oder nach dem 17. August 2015 eintrete, werde eine vor dem Geltungsbeginn der Verordnung getroffene Rechtswahl wirksam,

„wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III der Verordnung erfüllt, auch wenn den Vertragsparteien die Rechtswahl nach dem bis zu diesem Zeitpunkt noch gültigen Kollisionsrecht des Aufenthalts- oder Staatsangehörigkeitsstaats nicht möglich war.“

Die Möglichkeit der Rechtswahl per Erbvertrag ergab sich vorliegend aus Art. 25 Abs. 3 EU-ErbVO.

Nach dieser Vorschrift können Personen mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit mittels Erbvertrag das Recht des Staates wählen, dem zumindest eine Vertragspartei angehört.

Hinweis: Nach Erwägungsgrund 39 der EU-ErbVO kann sich eine Rechtswahl auch dadurch ergeben, dass „auf spezifische Bestimmungen des Rechts des Staates“, dem der Erblasser angehört hat, Bezug genommen wird, oder der Erblasser „das Recht dieses Staates in anderer Weise erwähnt hat“ (sogenannte konkludente Rechtswahl).

Deutsche Staatsbürger, die z. B. in Spanien oder Italien versterben und ein älteres Testament hinterlassen, können darin also auch eine schlüssig erklärte, konkludente Rechtswahl getroffen haben.

Die EU-ErbVO eröffnet den Erben in diesem Fall die Möglichkeit, durch Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit eines deutschen Nachlassgerichts zu begründen (auch wenn nach Art. 4 EU-ErbVO eigentlich ein spanisches oder italienisches Gericht zuständig wäre).

 

8. OLG München: Testierfähigkeit kann in der Regel nur Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie beurteilen

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Dies hat das Oberlandesgericht München mit Beschluss vom 14. Januar 2020 zum Aktenzeichen 31 Wx 466/19 entschieden und den Fall an die Vorinstanz zurückverwiesen.

a) Das OLG München wies darauf hin, dass das Fehlen der Testierfähigkeit positiv festgestellt werden müsse:

„Bloße Zweifel genügen insoweit nicht.“

b) Aufgrund der mit der Feststellung  der Testierfähigkeit verbundenen besonderen Schwierigkeiten komme von vornherein nur die Begutachtung durch einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in Betracht:

Durch das Erfordernis des Vorliegens der entsprechenden fachärztlichen Qualifikation wird in abstrakt genereller Weise sichergestellt, dass der Sachverständige nach der ärztlichen Approbation ein mindestens 5-jähriges Weiterbildungscurriculum absolviert und durch das Bestehen der entsprechenden Facharztprüfung seine grundsätzliche Befähigung nachgewiesen hat.“

c) Die Entscheidung wird von der Fachliteratur begrüßt (siehe u.a. Cording, ErbR 2020, 256):

„Der Wortlaut der §§ 104 Nr. 2, 2229 Abs. 4 BGB zeigt, dass es um die Feststellung von Krankheiten geht; zuständig ist daher die Medizin (nicht etwa die Psychologie). Innerhalb der Medizin ist das Fachgebiet Psychiatrie zuständig, nachdem § 2229 Abs. 4 BGB als erste Voraussetzung die Feststellung einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung fordert. Deswegen ist die Feststellung des Senates bedeutsam, dass als Sachverständige hierzu grundsätzlich Fachärzte für Psychiatrie zu bestellen sind.“

d) Erfolgt im Erbscheinsverfahren die Bestellung eines Arztes, der den fehlenden Facharzt nicht durch einschlägige, langjährige Berufserfahrungen und zusätzliche Qualitfikationen kompensieren kann, so liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler vor. Das Beschwerdegericht muss dann selbst eine Beweisaufnahme machen oder – wie vorliegend – die Sache an das Amtsgericht zurückverweisen (§ 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG).

e) In die gleiche Richtung zielt die Entscheidung OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Juli 2018, Aktenzeichen I-3 Wx 259/17. Demnach könne den Feststellungen eines Notars in einem von ihm beurkundetenTestament zwar durchaus gewichtige Bedeutung zukommen – mehr aber auch nicht:

„Nicht ausreichend entkräftet werden die danach bestehenden erheblichen Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin durch die in dem notariellen Testament vom 15. Juli 2013 niedergelegte Feststellung der Überzeugung des Notars, die Erblasserin sei zum damaligen Zeitpunkt testierfähig gewesen.

Diese Feststellung beruht auf § 28 BeurkG und bringt lediglich die persönliche Überzeugung des Notars auf der Grundlage des mit der Erblasserin geführten Gesprächs zum Ausdruck.

Irgendeine Bindungswirkung für ein späteres gerichtliches Verfahren, sei es ein Nachlassverfahren oder ein grundbuchrechtliches Eintragungsverfahren, ist mit dieser Feststellung nicht verbunden und auch aus der gesetzlichen Vorschrift des § 28 BeurkG, einer Soll-Vorschrift, nicht herzuleiten.“

Das ist sicher richtig: Auch der Notar / die Notarin ist kein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.

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9. Oberster Gerichtshof (OGH) Österreichs vom 3. Oktober 2018: Zur Umschreibung des Grundbuchs reicht deutscher Erbschein aus

Erteilt ein nach Art. 4  EU-ErbVO zuständiges Amtsgericht in Deutschland einen Erbschein,  so ist dieser zugleich eine „Erbenbescheinigung“ im Sinne des österreichischen Registerrechts. Der deutsche Erbschein muss die einzelnen Liegenschaften dabei nicht konkret bezeichnen, und eines Europäischen Nachlasszeugnisses bedarf es nicht, Art. 62 Abs. 2 Eu-ErbVO.

Dies hat der Oberste Gerichtshof (OGH) Österreichs mit Beschluss vom 3. Oktober 2018 entschieden. Die zur Geschäftszahl 5Ob157/18a ergangene Entscheidung ist im Volltext hier abrufbar.

Bislang hatten sich die Grundbuchämter in Österreich unter Hinweis auf § 433 des österreichischem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) geweigert, entsprechende Eintragungen vorzunehmen. Nach dieser Vorschrift, die mit der EU-ErbVO nicht zu vereinbaren ist, musste die Rechtsnachfolge unter Bezeichnung der konkreten Liegenschaft nachgewiesen werden.

 

 10. Das EuGH-Urteil Rs. C-218/16 Kubicka und deutsch-polnische Vermögen

1.) Das Vererben von Gegenständen nach BGB

Nach dem BGB rückt der Erbe in sämtliche Rechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen ein – er wird unmittelbarer Eigentümer der Immobilie, des Aktienpaketes, sogar der Zahnbürste.  Man spricht auch von der „Fußstapfentheorie“, § 1922 Abs. 1 BGB.

Das unmittelbare Vererben von einzelnen Gegenstände hingegen ist technisch nicht möglich. Einzelne Gegenstände können lediglich „vermacht“ werden, §§ 1939, 2174 BGB. Der Vermächtnisnehmer erhält dabei „nur“ einen Anspruch auf etwas, das der Erbe noch per Vertrag erfüllen muss. Streitig ist dann oft, wem bis bis zur Erfüllung des Vermächtnisses die Früchte gebühren (z.B. die Mieteinnahmen einer vermachten Immobilie), oder was gilt, wenn der Gegenstand beim Erbfall nicht mehr vorhanden ist.

Nach deutschem Recht ist der Vermächtnisnehmer also nicht Nachfolger des Erblassers, auch nicht in Bezug auf den ihm zugedachten Gegenstand. Das BGB kennt – seit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 1900 – nur den vom Erben noch zu erfüllenden Anspruch, das sogenannte Damnationslegat.

2.) Polnisches Erbrecht

Andere Rechtsordnungen als die deutsche sind großzügiger:

Nach polnischem Erbrecht etwa kann der Erblasser bestimmen, dass z.B. die Tochter ein Haus unmittelbar erben soll, während im Übrigen die Ehefrau Erbin ist. Dies ergibt sich aus Art. 981 § 1 Kodeks Cywilny (Zivilgesetzbuch Polen):

„Der Erblasser kann in einem in Form einer notariellen Urkunde errichteten Testament bestimmen, dass eine bestimmte Person den Gegenstand des Vermächtnisses im Zeitpunkt des Erbfalls erwirbt.“

Man spricht von einem sogenannten Vindikationslegat.

3.) Das Vindikaktionlegat im BGB

a) Seit der (von einem klugen Notar aus Słubice in Polen provozierten) EuGH-Entscheidung Kubicka, Urteil vom 12.10.2017 – Rs. C-218/16 lassen sich unmittelbar wirkende Vermächtnisse auch in die deutsche Rechtsordnung „einschleusen“:

Danach muss z.B. das Grundbuchamt in Berlin oder das Handelsregister ein Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) nach polnischem Erbrecht akzeptieren, in dem solche Legate gem. Art. 68 Buchst. m EU-Erbrechtsverordnung aufgeführt sind.

Polnisches Erbrecht kann in Deutschland z.B. zur Anwendung kommen, wenn ein in Deutschland, Schweden, Großbritannien oder Irland lebender polnischer Staatsbürger polnisches Erbrecht  als sein Heimatrecht wählt, Art. 22 EU-Erbrechtsverordnung, und eine Immobilie oder Bankvermögen in Deutschland vorhanden sind. Zudem gab in Polen es auch vor Inkrafttreten der EU-Erbrechtsverordnung weitreichende Möglichkeiten der Rechtswahl, auch zu Gunsten des Wohnsitzlandes (Art. 64 IPR-Gesetz 16.05.2011; siehe auch OLG Schleswig, Beschluss vom 25.4.2016 – 3 Wx 122/15).

b) Die deutschen Gerichte werden das polnische Erbrecht aber nicht gerade „lieben“. Potentiell müssen zu allen möglichen Rechtsfragen Gutachten von polnischen Experten eingeholt werden. Das kann die Nachlassabwicklung erheblich verzögern.

Befindet sich das Vermögen überwiegend in Deutschland, dürfte es deshalb nur wenige familiäre Konstellationen geben, in denen eine „taktische“ Wahl des polnischen Erbrechts wirklich Vorteile bringt.

Mögliche Kostenvorteile durch Grundbuchumschreibungen und Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen „ohne Notar“ dürften das Risiko, dass es bei Streitfällen zu komplizierten und teuren Verfahren kommt, nicht aufwiegen.

Auch das gegenüber dem polnischen Steuerrecht teurere deutsche Erbschaftssteuerrecht kann allein durch die Wahl polnischen Erbrechts nicht „abgewählt“ werden, § 2 ErbStG.

Wenden Sie sich gerne an uns, wenn Sie Beratung in Ihrem konkreten Fall benötigen. Die Beratung findet auf Wunsch in deutscher, englischer oder polnischer Sprache statt.

 

11. Kammergericht Berlin: Welches Erbrecht gilt für Grenzpendler?

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Für Erbfälle nach dem 16. August 2015 ist nach Art. 21 EU-Erbrechtsverordnung Nr. 650/12 das Erbrecht desjenigen Landes anzuwenden, in dem der Erblasser seinen „letzten gewöhnlichen Aufenthalt“ hatte.

Das Kammergericht (Beschluss vom 26. April 2016, Az. 1 AR 8/16) hat nun erstmals entschieden, was „letzter gewöhnlicher Aufenthalt“ eigentlich heißt. Danach kommt deutsches Erbrecht auch dann noch zur Anwendung, wenn der Erblasser in einem anderen Land gemeldet war und dort einen Großteil seiner Zeit verbracht hat. Entscheidend sei, ob – wie im vorliegenden Fall – dennoch eine „unverändert enge und feste Beziehung zum Heimatstaat“ vorhanden war, etwa wegen sozialer Beziehungen oder Vermögen und Einkünften in Deutschland (Erwägungsgründe 23 und 24 zur EU-Erbrechtsverordnung).

Der Sachverhalt: Ein deutscher Staatsbürger war Grenzpendler und lebte seit fünf Jahren auf der polnischen Seite der Oder, von wo er Kunden in Brandenburg besuchte.

In der Wohnung der Tochter in Berlin-Pankow behielt er formal einen Zweitwohnsitz, und ohne sich dort regelmäßig aufzuhalten. Eine Integration am neuen Wohnort Polen erfolgte allerdings kaum. Der Erblasser sprach auch kein polnisch. In das Dorf- und Vereinsleben war er nicht integriert, und seine persönlichen Kontakte beschränkten sich auf kurze Unterhaltungen. Eine neue Familie gründete der Erblasser nicht. Ärzte und Krankenhäuser suchte er nur in Deutschland auf, sämtliche Einkünfte erzielte er in Deutschland.

Anmerkung: Die Entscheidung des Kammergerichts zu Gunsten des deutschen Erbrechts ist ein warnendes Beispiel für die Praxis. Sie zeigt, dass bei der richterlichen Gesamtbeurteilung der Lebensumstände eines Erblassers der „letzte gewöhnliche Aufenthalt“ von dem abweichen kann, was man als Laie eigentlich annehmen würde – etwa bei der Errichtung eines an einem bestimmten Erbrecht orientierten Testamentes. Es empfiehlt  sich deshalb, eine Rechtswahl zu Gunsten des eigenen Heimatrechtes zu treffen und zusätzlich ein „Bekenntnis“ in die Präambel des Testamentes aufzunehmen, mit welchem Land man sich am engsten verbunden fühlt, wo man selbst den sozialen und wirtschaftlichen Lebensmittelpunkt sieht aus welchen Gründen.

Sprechen Sie uns gerne an.

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12. BGH: Bewertung einer „halben“ Immobilie“ im Pflichtteilsrecht

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Der Pflichtteil sichert den nächsten Angehörigen eine Mindestbeteiligung am Nachlass.

Wie viel aber war der Nachlass zur Zeit des Erbfalls wert? Dies zu bestimmen ist besonders schwierig, wenn der Erblasser nur Miteigentümer eines Nachlassgegenstandes war. In der erbrechtlichen Praxis wird deshalb ein deutlicher Abschlag bei der Verkehrswertbestimmung des Nachlasses vorgenommen. Dahinter steckt die Überlegung, dass halbe Miteigentumsanteile unter marktwirtschaftlichen Bedingungen in der Regel kaum verwertbar sind.

Der Bundesgerichtshof hat sich zu dieser Problematik nun in seinem Urteil vom 13.05.2015 (Az. IV ZR 138/14) geäußert und entschieden, dass ein Abschlag nicht gerechtfertigt ist, wenn der bisherige Miteigentümer einer Immobilie zu 1/2 mit dem Erbfall eine weitere ideelle Hälfte erhält und damit Alleineigentümer der Immobilie wird. Eine Verwertung des Miteigentums sei bei dieser Sachlage problemlos möglich.

Kommentar: Der Bundesgerichtshof stärkt mit dieser Entscheidung das Recht des Pflichtteilsberechtigten. Die Frage, ob und ggfls. in welcher Höhe in Konstellationen, bei denen kein Alleineigentum entsteht, Abschläge hinzunehmen sind, lässt das Gericht allerdings offen. Dies ist von dem zur Entscheidung berufenen Gericht gemäß § 2311 Abs. 2 BGB zu schätzen.

 

13. Bundestag verabschiedet EU-Erbrechtsverordnung

Die Bundesregierung hat am 03.12.2014 einen vom Bundesministerium der Justiz vorgelegten, vom Bundestag noch anzunehmenden Gesetzesentwurf beschlossen, mit dem Details zur neuen EU-Erbrechtsverordnung geregelt werden, die für Erbfälle nach dem 16.08.2015 gilt.

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14. Neuer Nachlass, höherer Pflichtteil? Es kommt drauf an.

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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 16.01.2013 (Aktenzeichen: Az. IV ZR 232/12) entschieden, dass die Verjährungsfristen für den Anspruch auf den Pflichtteil nicht neu zu laufen beginnen, wenn der Pflichtteilsberechtigte nach Ablauf der Verjährungsfristen von einem neuen Nachlassgegenstand (z.B. einer Immobilie im Ausland) erfährt.

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