Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 11.03.2015 (Aktenzeichen: IV ZR 400/14) entschieden, dass auch aktive Sterbehilfe zur Erbunwürdigkeit eines Erben führen kann.
In seiner Begründung wich das Gericht in einem entscheidenden Punkt von der Beurteilung der Vorinstanz ab, welches zuvor entschieden hatte, dass eine versuchte Tötung in einem minder schweren Fall nicht ohne weiteres geeignet sei, eine Erbunwürdigkeit zu begründen: Schutzzweck der Erbunwürdigkeitsregel sei die Testierfreiheit, welche durch das Handeln des „potentiell Erbunwürdigen“ nicht in Frage gestellt werde, wenn der Ehemann seine Ehefrau – wie in dem zu entscheidenden Fall – aus einer unerträglichen Lage erlösen wollte und bei der Tat nicht die Änderung der Erbfolge im Sinn hatte – so noch die Begründung des OLG Frankfurt.
Der BGH sah die Sache anders und entschied, dass zum Schutz schwererkrankter Erblasser die Motivlage des Täters bei Auslegung der Erbunwürdigkeitsregel nicht berücksichtigt werden können und damit bereits ein versuchter Totschlag in einem minder schweren Fall geeignet sei, die Erbunwürdigkeit zu begründen. Lediglich bei einer Tötung auf Verlangen nach § 216 StGB sei in der Regel keine Erbunwürdigkeit gegeben.
Dem Fall lag ein tragischer Sachverhalt zugrunde, der zuvor bereits die Strafjustiz beschäftigt hatte: 1991 hatte ein Ehepaar ein gemeinsames Testament errichtet, in dem sich die Ehepartner gegenseitig als Alleinerben und ihre Kinder als Schlusserben eingesetzt hatten. Nach einem epileptischen Anfall und aufgrund ihrer akuten Alzheimererkrankung musste die Ehefrau im Jahre 2003 in einem Pflegeheim untergebracht werden. Eine Kommunikation mit der Erblasserin war seit dieser Zeit nicht mehr möglich. Im Jahre 2012 hatte der schwer depressive Ehemann, der den Zustand seiner Frau nicht mehr mit ansehen konnte, die PEG-Sonde zur Essensversorgung der Ehefrau durchtrennt. Das Pflegepersonal bemerkte den Vorgang jedoch und setzte den Schlauch gegen den Willen des Ehemannes wieder instand. Wochen später starb die Ehefrau an einer Lungenentzündung, die in keinem Zusammenhang mit der vorherigen Tat des Ehemannes stand. Aufgrund dieses Vorgangs – eines versuchten Totschlages – machte der Sohn dann letztlich mit Erfolg geltend, dass der Vater wegen Erbunwürdigkeit von der Erbfolge auszuschließen sei.