und deutsch-chinesische Erbfälle
I. Anwendbares Erbrecht
Bei Erbfällen mit Bezug zu Deutschland und der Volksrepublik China muss zunächst geklärt werden, welches materielle Erbrecht anwendbar ist: Deutsches Recht, chinesisches Recht, oder beides?
Da es zwischen Deutschland und China keinen Staatsvertrag gibt, der dazu eine Regelung vorsieht, bestimmen die Staaten im Rahmen ihres jeweiligen Internationalen Privatrechts (IPR) selbst, welches Recht zur Anwendung kommt.
Die Regelungen in Deutschland und China unterscheiden sich dabei wie folgt:
1. Deutschland
Für Erbfälle vor dem 17.08.2015 knüpft das deutsche Recht an die Staatsangehörigkeit des Erblassers an. Bei einem chinesischen Staatsangehörigen wird dabei auch auf das Internationale Privatrecht Chinas verwiesen, das zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen entscheidet (siehe unten).
Für Erbfälle ab dem 17.08.2015 ist im Hinblick auf das anwendbare Recht die EU-Erbrechtsverordnung maßgeblich. Mit Anwendung der EU-Erbrechtsverordnung wird die Erbfolge einheitlich nach dem Recht des Staates bestimmt, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Etwas anderes ergibt sich nur, wenn der Erblasser eine abweichende Rechtswahl getroffen hat. Er kann dann entweder eine Rechtswahl zugunsten des Erbrechts seiner Staatsangehörigkeit treffen, oder er kann die gesetzlichen Regeln und damit das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes gelten lassen.
2. Volksrepublik China
Verweisen die deutschen Regeln des Internationalen Privatrechts auf chinesisches Erbrecht, so ist zunächst zu beachten, dass es sich bei China um einen Mehrrechtsstaat im Sinne von Art. 4 Abs. 3 EGBGB handelt.
In China gibt es kein einheitliches Kollisionsrecht (IPR), so dass die Verweisung auf jene Teilrechtsordnung (Hongkong, Macao, Taiwan, VR China) zu beziehen ist, mit der die betreffende Person am engsten verbunden war.
Für Erbfälle mit Auslandsbezug vor dem 01.04.2011 ist nach Art. 36 des „Erbgesetzes der Volksrepublik China vom 10.4.1985“ bei beweglichem Vermögen das Recht des Wohnsitzes des Erblassers und bei unbeweglichem Vermögen das Recht am Belegenheitsort der Immobilie anzuwenden.
Nach der Neuregelung des internationalen Erbrechts in der VR China ist für Erbfälle nach dem 01.04.2011 das „Gesetz der Volksrepublik China zur Anwendung auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung“ zur Bestimmung des anwendbaren Rechts ausschlaggebend. Unbewegliches Vermögen wird weiterhin nach dem Erbrecht des Belegenheitsortes vererbt. Für bewegliches Vermögen wird seit der Neuregelung an den letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort (nicht: den Wohnsitz) des Erblassers angeknüpft.
Fall 1: Ein chinesischer Staatsbürger, der die letzten zwanzig Jahre in Berlin gelebt hatte, verstirbt am oder nach dem 17.08.2015 in Deutschland und hinterlässt Bargeld, Schmuck sowie eine Eigentumswohnung in Shanghai.
Aus deutscher Sicht kommt aufgrund der Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers deutsches Erbrecht auf den gesamten Nachlass zur Anwendung.
Aus chinesischer kommt im Hinblick auf die Eigentumswohnung chinesisches Recht zur Anwendung (Belegenheitsort). Hinsichtlich des beweglichen Vermögens kommt deutsches Erbrecht zur Anwendung; dies ergibt sich aus der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers.
Fall 2: Ein Deutscher, der in Köln seinen letzten ständigen Aufenthalt hatte und am oder nach dem 17.08.2015 verstirbt, hinterlässt neben beweglichem Vermögen in Deutschland ein Haus in China.
Aus chinesischer Sicht wird auf den beweglichen Nachlass deutsches und auf den unbeweglichen Nachlass Recht chinesisches Recht angewendet.
Aus deutscher Sicht gilt ausschließlich deutsches Recht. Dies ergibt sich aus der Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland nach der EU-Erbrechtsverordnung.
Welches Gericht entscheidet nun verbindlich?
Wegen der Schwierigkeit, Urteile aus einem Land in dem jeweils anderen zu vollstrecken, wird es praktisch immer darauf ankommen, in welchem Land sich das Vermögen befindet und sich eine Vollstreckung lohnt. In dem obigen Beispiel Nr. 2 dürfte es deshalb bei der Abwicklung in China keine Rolle spielen, dass aus deutscher Sicht auch für die Immobilie in China deutsches Recht anzuwenden ist.
II. Einfluss des ehelichen Güterrechts
Der eheliche Güterstand kann einen erheblichen Einfluss auf die Höhe der Erbquote haben, denn nur beim deutschen gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft wird der gesetzliche Erbteil des Ehegatten innerhalb des güterrechtlichen Zugewinnausgleichs pauschal um 1/4 erhöht, § 1371 I BGB. Zu einer Erhöhung nach § 1371 I BGB kommt es hingegen nicht, wenn der Erblasser in einer „chinesischen Ehe“ verheiratet war. Zu den Einzelheiten berate ich Sie gerne.
III. Materielles Erbrecht in China
1. Umfang der Erbschaft
Der Umfang der Erbschaft wird im Allgemeinen Teil des Erbgesetzes geregelt und ist als „das legale Vermögen Einzelner, das Bürger bei ihrem Tode hinterlassen“ definiert. Konkret erfasst sind:
– das Einkommen der Bürger;
– Häuser, Ersparnisse und Gegenstände des täglichen Bedarfs der Bürger;
– Wald, Vieh und Geflügel der Bürger;
– Kulturgüter, Druckwerke und Schriften der Bürger;
– Produktionsgüter, an denen das Gesetz dem Bürger Eigentum zu haben gestattet;
– Vermögensrechte bei den Urheber- und Patentrechten der Bürger
– anderes legales Vermögen der Bürger (z.B. Wertpapiere und Forderungen)
2. Gesetzliche Erbfolge
Gesetzliche Erben sind
- Ehegatten, Kinder und Eltern (1. Ordnung),
- Brüder, Schwestern, Halbgeschwister, Großeltern (2. Ordnung),
wobei die 2. Ordnung erst erbt, wenn in der 1. Ordnung auch keine Abkömmlinge der dort genannten gesetzlichen Erben (z.B. Enkelkinder) vorhanden sind.
Nach Art. 13 ErbG erhalten die Erben einer Ordnung in der Regel den gleichen Erbteil. Ausnahmen gibt es, wenn einer der Erben in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt bzw. arbeitsunfähig ist. Auch Unterhaltspflichten und zu Lebzeiten erbrachte Leistungen des Erben können eine Rolle spielen.
Erbberechtigte Ausländer werden prinzipiell wie erbberechtigte Chinesen behandelt, wobei sich im Einzelfall Unterschiede ergeben können. Die Erbquoten von Chinesen und Ausländern entsprechen sich ebenfalls weitgehend.
Schwierigkeiten können sich bei der Frage ergeben, was ein Deutscher in China vererben darf.
Beispiel: Erwirbt ein Deutscher in China ein Grundstück, so fällt dieses nach seinem Tod prinzipiell dem Staat zu. Ausgenommen von dieser Regelung sind jedoch Wohnhäuser; hierfür bedarf es einer Einzelfallentscheidung. Bei dieser Einzelfallentscheidung sind die Umstände des Erwerbs und die Nutzung des Hauses bestimmend. Basiert das Eigentum an dem Haus auf einer kolonialen Vergangenheit, so ist die Vererblichkeit problematisch. Dient ein Haus hingegen im Wesentlichen der Unterkunft der Familie, ergeben sich keine Probleme bei der Vererbung.
Bei kulturhistorisch bedeutsamen Gegenständen sind ebenfalls Einschränkungen zu beachten.
Der genaue Umfang dessen, was der Vererbung unterliegt, ist in § 3 ErbG geregelt. Danach können bestimmte Produktionsmittel unter Umständen aus dem Nachlass (yichan) herausfallen.
3. Gewillkürte Erbfolge – Testament und Erbvertrag
Der Grundsatz der Testierfreiheit (yizhu ziyou yuanze) gilt in der VR China nur eingeschränkt: Der Erblasser darf ausschließlich eine oder mehrere Personen aus dem Kreis der gesetzlichen Erben zu testamentarischen Erben einsetzten. Damit können sich bei der testamentarischen Erbeinsetzung von Ausländern, die nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben zählen, erhebliche Probleme ergeben. Einem Ausländer kann jedoch die Erbenstellung gestattet werden, wenn zwischen ihm und dem Erblasser ein besonderes Näheverhältnis bestand und die gesetzlichen chinesischen Erben durch die Gestattung nicht zu Schaden kommen.
Ein wirksames Testament setzt die Testierfähigkeit des Erblassers voraus, muss den tatsächlichen Willen des Erblassers zum Ausdruck bringen sowie frei von Druck, Täuschung und Fälschung sein.
Das chinesische Erbgesetz enthält vier ordentliche Arten des Testaments:
- das Testament zur Niederschrift des Notars,
- das selbst geschriebenes Testament,
- das in Vertretung geschriebenes Testament,
- das in Form eines Tonträgers errichtete Testament.
Außerdem kann man in dringender Gefahr nach § 17 Abs. 5 Erbgesetz ein mündliches Testament errichten
Das chinesische Recht kennt Verfügungen von Todes wegen ausschließlich in Form einseitiger Testamente. Gemeinschaftliche Testamente und vertragliche Verfügungen im Sinne eines Erbvertrags sind dem chinesischen Recht fremd und daher unwirksam.
4. Die Beschränkung der Testierfreiheit – Der Vorbehalt des notwendigen Teils
Im chinesischen Recht gibt es kein Pflichtteilsrecht im Sinne des deutschen Pflichtteilsrechts. Das Testament muss jedoch für diejenigen gesetzlichen Erben, die arbeitsunfähig sind und keine Lebensunterhaltsquelle besitzen, einen notwendigen Teil der Erbschaft vorbehalten. Der Vorbehalt eines notwendigen Teils wird ebenfalls in der Auslegung des Obersten Volksgerichts geregelt, wenn der Erblasser dies im Testament nicht getan hat.
Über den übrigen Teil des Nachlasses darf der Erblasser verfügen. Hat der Erblasser keinen notwendigen Teil vorbehalten, so ist das Testament teilunwirksam.
Der Umfang des notwendigen Teils der berechtigten Erben ist im Vergleich zum deutschen Pflichtteil wesentlich geringer. Damit die Regelung anwendbar ist, müssen die Voraussetzungen (Arbeitsunfähigkeit und keine Lebensunterhaltsquelle) gleichzeitig beim gesetzlichen Erben vorliegen.
IV. Erbschaftssteuerrecht
Die Volksrepublik China erhebt zurzeit keine Erbschaftssteuer. Gleichwohl werden Reformpläne diskutiert. In den Sonderverwaltungszonen Hongkong und Taiwan werden Erbschaftssteuern erhoben.
Ein deutsch-chinesisches Doppelbesteuerungsabkommen hinsichtlich der Erbschafts- und Schenkungssteuer besteht nicht.
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