und deutsch-norwegische Erbfälle:
I. Welches Erbrecht gilt?
Bei Erbfällen mit Bezug zu Deutschland und zu Norwegen ist zunächst zu überlegen, welches Erbrecht überhaupt anwendbar ist. Bislang gibt es kein einheitliches internationales Erbrecht, sodass das anwendbare Recht durch die berührten Staaten selbst bestimmt wird.
1. Norwegen
Aus norwegischer Sicht ist bezüglich der anzuwendenden Rechtsordnung bei grenzüberschreitenden Erbfällen – sofern nicht im Verhältnis zu Dänemark, Schweden, Finnland und Island die Nordisk Dødsbodkonvention Anwendung findet – zunächst auf das norwegische internationale Erbrecht abzustellen, das nicht in einem Gesetz niedergeschrieben ist, sondern sich gewohnheitsrechtlich herausgebildet hat. Auch das Gewohnheitsrecht ist als anerkannte Rechtsquelle bei internationalen Erbfällen heranzuziehen.
Das norwegische IPR knüpft an den Wohnsitz des Erblassers an (hjemlandslov). Der Wohnsitz befindet sich dabei in dem Land, in dem der Erblasser dauerhaft seinen Lebensmittelpunkt hatte. Dazu folgende Beispiele:
Fall 1: Ein deutscher Handwerker zieht nach Norwegen und baut dort ein Haus und seine Firma auf. Aus norwegischer Sicht ist aufgrund der Anknüpfung an den Wohnsitz allein norwegisches Recht anwendbar.
Fall 2: Ein Norweger lässt sich dauerhaft in Berlin nieder und verstirbt dort. Da der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in Deutschland hatte, gilt aus norwegischer Sicht zunächst deutsches Recht. Hierbei ist unklar, ob das norwegische Recht auch auf das deutsche internationale Erbrecht verweist, oder ob schlicht deustches Erbrecht zur Anwendung kommen soll. Dies ist im Einzelfall zu prüfen.
Hinweis: Norwegen ist nicht Mitgliedsstaat der europäischen Union sodass die ab August 2015 in den meisten EU-Mitgliedstaaten geltende EU-Erbrechtsverordnung auf Norwegen zumindest aus norwegischer Sicht keine Anwendung finden wird.
2. Deutschland
Deutschland knüpft bis zum Tag der Anwendung der EU-Erbrechtsverordnung (nähere Informationen finden Sie hier) an die Staatsangehörigkeit des Erblassers an. Dabei wird das Recht desjenigen Staats angewendet, dem der Erblasser zuletzt angehörte. Dazu wird auch auf das Internationale Privatrecht des ausländischen Staates – vorliegend Norwegen – verwiesen, Art. 25 Abs. 1 und Art. 4 EGBGB. Dies kann – je nach Einzelfall – zu einer Rückverweisung auf das deutsche Recht und zu Anwendung deutschen Erbrechts auf den Erbfall eines Norwegers führen (siehe oben Fall 2).
Wesentliche Änderungen werden sich aus deutscher Sicht ab dem 17. August 2015 mit Anwendung der EU-Erbrechtsverordnung ergeben. Für ab diesem Stichtag eintretende Erbfälle wird die Erbfolge nach dem Recht des Staates bestimmt, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, sofern der Erblasser keine anderweitige Rechtswahl getroffen hat.
Da aus deutscher Sicht die Verordnung auch im Verhältnis zu Norwegen Anwendung findet, können in Deutschland lebende Norweger durch Testament norwegisches Ebrecht wählen, wenn sie die Anwendung deutschen Erbrechts nicht wollen.
II. Einfluss des ehelichen Güterrechts auf das Erbrecht
Das eheliche Güterrecht hat einen erheblichen Einfluss auf den Anteil des überlebenden Ehegatten am Nachlass.
Der gesetzliche Güterstand in Norwegen ist die Gütergemeinschaft (§ 56 EheG), hierbei bildet das gesamte Vermögen der Ehegatten das eheliche Gesamtgut.
Dem überlebenden Ehegatten wird sogar die Möglichkeit eingeräumt, das Gesamtgut vollständig zu übernehmen, sofern er dies dem Nachlassgericht innerhalb von 60 Tagen nach dem Erbfall mitteilt und die Ehegatten im Güterstand der aufgeschobenen Gütergemeinschaft gelebt haben (felleseie). Die Auseinandersetzung des Gesamtgutes ist dann aufgeschoben bis zum Tod oder der Wiederverheiratung des länger lebenden Ehegatten.
Das dem deutschen Recht unbekannte Rechtsinstitut der fortgesetzten Gütergemeinschaft kann dazu führen, dann die Kinder des Erblassers und des länger lebenden Ehegatten zunächst keinen Zugriff auf den Nachlass haben. Hinterlässt der Erblasser Kinder aus vorangegangenen Ehen, können die Kinder aus diesen Verbindungen die fortgesetzte Gütergemeinschaft hinsichtlich des Vermögens, das ihnen zusteht, verweigern und verlangen, ausbezahlt zu werden.
III. Materielles Erbrecht
1. Gesetzliche Erbfolge
Die Regelungen zur gesetzlichen Erbfolge finden sich in Norwegen im Lovomarv (hier) vom 03.03.1972 (nachfolgend: ErbG). Ähnlich dem deutschen Erbrecht richtet sich die Erbfolge nach Ordnung und Stämmen, wobei die gesetzliche Erbfolge mit der dritten Ordnung (Großeltern und deren Abkömmlinge) endet.
Die Höhe des Erbteils des Ehegatten richtet sich nach den übrigen erbberechtigten Personen. Er ist neben den Erben der ersten Ordnung (Abkömmlinge des Erblassers), die zu gleichen Teilen erben zu einem Viertel und den Erben der zweiten Ordnung zur Hälfte als gesetzlicher Erbe am Nachlass beteiligt. Sind ausschließlich Erben der dritten Ordnung vorhanden, wird der Ehegatte alleiniger Erbe.
Eine Besonderheit des norwegischen Erbrechts ist, dass auch nicht verheirateten Lebenspartnern – die ähnlich einer Ehe zusammenleben, gemeinsame Kinder haben oder mindestens die letzten fünf Jahre zusammengelebt haben – ein gesetzliches Erbrecht zusteht (§§ 28a – 28g Arvelova-al hier)
2. Gewillkürte Erbfolge – Testament und Erbvertrag
In Norwegen gilt ebenfalls der Grundsatz der Testierfreiheit, der Erblasser kann also beliebige Personen bis zur Grenze des Pflichtteils zu seinen Erben bestimmen. Begründen muss er seine Wahl nicht.
Die norwegischen Formanforderungen zur Errichtung des Testaments sind im Vergleich zu den deutschen Vorschriften deutlich strenger:
Die Unterschrift unter einem Testament muss entweder vor zwei Zeugen geleistet werden oder der Erblasser muss das Testament vor den Zeugen als seinen letzten Willen anerkennen (§ 49 ErbG). Hierfür genügt jedoch im Vergleich zum deutschen Recht ein gedrucktes Formular, die letztwillige Verfügung muss nicht handschriftlich errichtet werden. Gemeinschaftliche Testamente sind nach norwegischem Recht zulässig und können nicht nur von Ehegatten, sondern auch unverheirateten Lebenspartnern und Geschwistern gemeinschaftliche errichtet werden.
Bei einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament ist das Recht des der länger lebende Ehegatte nach Annahme der Erbschaft eigene letztwillige Verfügungen zu treffen jedoch eingeschränkt (§ 58 ErbG).
Erbverträge sind dem norwegischen Recht hingegen unbekannt. Gleichwohl kann eine erwartete Erbschaft übertragen oder verpfändet werden und vorab auf die Erbschaft verzichtet werden. (§§ 44, 45 ErbG). Der Erblasser kann sich weiterhin verpflichten, das Vermögen in der Familie zu behalten und ein bestehendes Testament zu ändern, zu widerrufen oder nicht zu errichten (§§ 55, 56 ErbG).
3. Bestimmungen zum Pflichtteil
Der Pflichtteil ist nach norwegischem Recht der Teil des Nachlasses, über den der Erblasser nicht frei verfügen kann.
Testamentarische Verfügungen, die die Höhe des Pflichtteils überschreiten, müssen nicht angefochten werden, sondern sind bereits kraft Gesetzes unwirksam. Im Gegensatz zum deutschen Recht ist das Pflichtteilsrecht somit als Noterbrecht ausgestaltet. Dementsprechend müssen Testamente entsprechend ausgelegt werden. Pflichtteilsberechtigt sind der Ehegatte und die Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel usw.).
Die Pflichtteilsquote beträgt bei Abkömmlingen zwei Drittel, beim Ehegatten ein Viertel des Nachlasses. Diese quotenmäßig bestimmten Pflichtteile sind allerdings betragsmäßig der Höhe nach begrenzt; die Höchstgrenze wird laufend angepasst.
4. Nachlassabwicklung
Die Nachlassabwicklung kann in Norwegen entweder privat durch die Erben selbst oder öffentlich durch das Nachlassgericht erfolgen. Die private Teilung setzt voraus, dass ein Erbe die Erbschaft innerhalb von 60 Tagen nach dem Erbfall annimmt. Die Erben können einen Erbschein beim Nachlassgericht beantragen (Skifteattest), welcher sie als Erben ausweist. Wird die Annahme nicht innerhalb dieser Frist mit Folge der persönlichen Haftung der Erben erklärt, erfolgt eine öffentliche Teilung durch das Gericht. Zur weiteren Abwicklung wird ein Nachlassverwalter durch das Gericht benannt.
IV. Die Anerkennung deutscher Gerichtsentscheidungen in Norwegen
Auf der Grundlage bilateraler Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über vermögensrechtliche Ansprüche können Entscheidungen deutscher Gerichte auch dann in Norwegen wirksam werden, wenn erbrechtliche Entscheidungen betroffen sind. Norwegen ignoriert eine deutsche Entscheidung nur dann, wenn nach norwegischem (internationalem) Erbrecht die Frage des anzuwendenden Rechts anders zu beurteilen wäre als in Deutschland. Dies dürfte jedoch nur selten der Fall sein. Wegen verbleibender Unsicherheiten aufgrund der gewohnheitsrechtlichen Ausbildung des norwegischen internationalen Erbrechts ist diese Frage aber stets im Einzelfall zu prüfen.
V. Erbschaftsteuer
Mit Gesetz vom 13.12.2013 wurde die Erbschafts- und Schenkungsteuer ab dem 01.01.2014 in Norwegen aufgehoben. Maßgeblich für die Anwendbarkeit des neuen Rechts ist, dass der Vollzug der Schenkung oder der Todestag nach dem 31.12.2013 liegen. Für Erbfälle die vor dem 31.12.2013 eingetreten sind, wird eine Erbanfallsteuer erhoben, von der jedoch der länger lebende Ehegatte, der registrierte Lebenspartner und der mit dem Erblasser zusammenlebende Lebenspartner befreit sind. Erben außerhalb dieses Personenkreises kommen in den Genuss von Freibeträgen.
Eine Doppelbesteuerung wird durch das norwegische Erbschaftssteuerrecht dadurch vermieden, dass im Ausland belegene Nachlassbestandteile von der norwegischen Steuer befreit werden, sofern sie im Ausland besteuert werden.
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