und deutsch-österreichische Erbfälle
I. Was gilt: deutsches oder österreichisches Erbrecht?
1. Erbfälle vor dem 17. August 2015
Ist der Erblasser vor dem 17. August 2015 verstorben, richtet sich das anzuwendende Recht aus der Sicht beider Länder nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers, Art. 25 Abs. 1 EGBGB und § 28 Abs. 1 IPRG Österreich. Damit kommt für diese „Altfälle“ stets das Erbrecht desjenigen Landes zur Anwendung, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser zuletzt innehatte.
Eine Rechtswahlmöglichkeit sieht das „alte“ österreichische internationale Erbrecht, das vor dem 17. August 2015 galt, nicht vor.
Nach deutschem Recht konnte ein Österreicher lediglich für Immobilienvermögen in Deutschland deutsches Recht wählen (Art. 25 Abs. 2 EGBGB), und zwar bis zum 16.08.2015. Eine solche Rechtswahl bleibt gültig, auch wenn der Erbfall nach dem 17. August 2015 eintritt.
2. Erbfälle am oder nach dem 17. August 2015
Wie die Bundesrepublik Deutschland ist auch Österreich Mitgliedstatt der EU-Erbrechtsverordnung Nr. 650/2012, die zwei wesentliche Änderungen mit sich bringt:
a) Es gilt grundsätzlich das Erbrecht desjenigen Staates, in dem in dem der Erblasser zuletzt seinen gewöhnlich Aufenthaltsort hatte, Art. 21 EU-Erbrechtsverordnung. Es gilt der Grundsatz der Nachlasseinheit. Unabhängig davon, wo das Vermögen belegen ist, beurteilt sich der Erbfall deshalb – aus österreichischer Sicht – ausschließlich nach dem Erbrecht Österreichs, wenn der Erblasser dort seinen Lebensmittelpunkt, seine sozialen Beziehungen usw. hatte.
b) Wenn ein in Österreich lebender Ausländer nicht nach dem dortigen Recht beerbt werden möchte, kann er durch Rechtswahl bestimmen, dass das Recht seiner Staatsangehörigkeit gelten soll. Ein in Wien lebender Deutscher kann also für seinen gesamten Nachlass, auch Immobilien in Österreich, deutsches Erbrecht bestimmen und das österreichische Recht „abwählen.“
II. Einfluss des österreichischen Verfahrensrechts auf das Erbrecht
Die Anwendung deutschen Erbrechts durch ein österreichisches Gericht wird wesentlich durch das dortige Verfahrensrecht beeinflusst. Z.B. muss Nachlassvermögen – anders als nach deutschem Recht – in vielen Fällen durch ein Gericht auf den oder die Erben übertragen werden (sog. „Einantwortung“).
Dafür ist dann ein sog. „Verlassenschaftsverfahren“ durchzuführen, und zwar u.a. dann, wenn Immobilien in Österreich vererbt werden, wenn der Erblasser Österreicher war, oder wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hatte.
Beispiel 1: Ein Deutscher hat ein Wohnung in Salzburg und verstirbt in Berlin. Die Erbfolge richtet sich nach deutschem Recht, allerdings ist in Österreich ein Verlassenschaftsverfahren durchzuführen.
Beispiel 2: Ein Deutscher verstirbt mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Wien. Auch in diesem Fall ist – wegen des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes in Östterreich – ein Verlassenschaftsverfahren durchzuführen.
Die Einzelheiten hierzu sind in § 106 JN (= Jursisdiktionsnorm) geregelt.
Zuständig für das Verlassenschaftsverfahren ist das Bezirksgericht am letzten Wohnsitz des Erblassers, hilfsweise das Bezirksgericht am Ort des wesentlichen Vermögens. Sollte sich auch dieser nicht feststellen lassen, ist das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zuständig, das die Aufgaben an einen örtlichen Notar („Gerichtskomissär“) abgeben kann. Besteht nur ein geringfügiger Nachlass (Aktivvermögen bis 4.000 €), findet ein vereinfachtes Verfahren statt, bei dem der Gerichtskomissär eine zentrale Rolle einnimmt. In diesen Verfahren besteht – anders als im „ordentlichen“ Verlassenschaftsverfahren – kein Anwaltszwang.
Das Verlassenschaftsverfahren beginnt mit der Erbantrittserklärung desjenigen, der Erbe sein will. Diese Erklärung ist unwiderruflich und hat zur Folge, dass der Erbprätendent den Nachlass während der Dauer des Verlassenschaftsverfahrens als „erbantrittserklärter Erbe“ vertritt, wenn er sein Erbrecht hinreichend nachgewiesen hat. Das Verfahrens endet durch Übertragung des Nachlasses per Gerichtsbeschluss („Einantwortung“), wobei ggf. nachzuweisen ist, dass testamentarischen Anordnungen beachtet und Pflichtteilsansprüche erfüllt wurden.
Jedem Erben steht es frei, die Erbschaft auszuschlagen oder seine Haftung durch eine bedingte Erbantrittserklärung zu beschränkten. Zu den Einzelheiten berate ich Sie gerne.
III. Einfluss des ehelichen Güterrechts auf die Erbquoten
Eine österreichische Ehe wirkt sich – im Unterschied zum deutschen Recht – nicht auf die Höhe der Erbquote aus: Der Ehegatte erhält neben den „Blutsverwandten“ eine Erbquote, die sich allein aus dem österreichischen Erbrecht ergibt. Eine weitere, pauschale Erhöhung der Erbquote über das sog. eheliche Güterrecht erfolgt nicht.
Die Bestimmung der konkreten Erbquote des Ehegatten kann in deutsch-österreichischen Erbfällen schwierig werden, wenn das anzuwendende eheliche Güterrecht und das anzuwendende Erbrecht „auseinanderfallen“.
Beispiel 3: Ein Österreicher, der in „deutscher“ Ehe verheiratet war, verstirbt in München.
Aus deutscher Sicht gilt österreichisches Erbrecht. Ein deutsches Gericht würde die Erbquote nach österreichischem Erbrecht wegen der „deutschen“ Ehe aber pauschal um ein Viertel erhöhen, § 1371 Abs. 1 BGB. Die Obergrenze bildet die Erbquote, die dem Ehegatten nach einer der beiden Rechtsordnung höchstens zustünde (siehe hierzu auch die von mir zusammengefasste Entscheidung des OLG Schleswig aus dem Jahr 2013).
Ein österreichisches Gericht würde hingegen ausschließlich österreichisches Erbrecht anwenden und das deutsche Güterrecht unbeachtet lassen.
Damit könnte ein Gericht in Deutschland im selben Fall zu einem anderen Ergebnis kommen, als ein österreichisches Gericht.
IV. Materielles Erbrecht in Österreich
Das österreichische Erbrecht wird derzeit grundlegend reformiert. Derzeit stellt sich die rechtliche Lage wiefolgt dar:
Ist auf einen Erbfall österreichisches Erbrecht anwendbar, ergeben sich erhebliche Abweichungen zum deutschen Erbrecht, die zum Teil auch mit der Anwendung österreichischen Verfahrensrechts zu tun haben (so gibt es bei Eigentumswohnungen, die an mehrere Erben fallen, Besonderheiten, zu denen ich Sie gerne berate):
1. Gesetzliche Erbfolge
Wie auch im deutschen Erbrecht ergibt sich die Erbenstellung aus dem Grad der „Blutsverwandtschaft“ zum Erblasser: Abkömmlinge des Erblassers bilden die erste „Linie“ (= Ordnung nach deutschem Verständnis), Eltern und deren Abkömmlinge die zweite Linie, Großeltern und deren Abkömmlinge die dritte Linie und Urgroßeltern und ihre Abkömmlinge die vierte Linie. Anders als nach deutschem Recht erben entferntere Verwandte nach österreichischem Recht nicht.
Mehrere Kinder und ihre bei Vorversterben nachrückenden Abkömmlinge erben zu gleichen Teilen.
2. Erbrecht des Ehegatten:
Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten steht neben dem Erbrecht der „Blutsverwandten“ und ist in § 757 BGB geregelt.
Wie im deutschen Erbrecht ist genaue Höhe des gesetzlichen Erbanteils des Ehegatten ist davon abhängig, welche weiteren Verwandten vorhanden sind: Neben den Erben der ersten Linie (= Abkömmlinge des Erblassers) wird der überlebende Ehegatte Erbe zu 1/3, neben Erben der zweiten Linie (= Eltern und deren Abkömmlinge) wird er Erbe zu 2/3. Neben Verwandten der dritten Linie (= Großeltern und deren Abkömmlinge) erbt der Ehegatte allein, außer wenn die Großeltern noch leben (dann erbt er 2/3). Neben Verwandten der vierten Linie erbt der Ehegatte ebenfalls allein.
Neben dem gesetzlichen Erbteil steht dem überlebenden, nicht enterbten Ehegatten ein gesetzliches Vorausvermächtnis zu: Nach § 758 ABGB gebührt dem Ehegatten „das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen, und die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind.“
Der geschiedene Ehegatte hat kein gesetzliches Erbrecht, kann aber unter bestimmten Voraussetzungen Unterhaltsansprüche gegen die Erben geltend machen.
3. Testament und Erbvertrag
Als Formen der letztwilligen Verfügung kennt das österreichische Recht Einzeltestamente, gemeinschaftliche Testamante und Erbverträge.
Anders als im deutschen Recht entfalten gemeinschaftliche Testamente, auch zwischen Ehegatten, aber keine Bindungswirkung, § 586 ABGB. Sämtliche Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testamentes sind zu Lebzeiten und nach dem Tod eines Ehegatten frei widerruflich.
Eine Besonderheit des österreichischen Rechts ist das fremdhändige (allographische) Testament nach § 579 ABGB.
Für dessen Wirksamkeit ist es ausreichend, wenn es mit dem Computer geschrieben wird und in Anwesenheit von drei Zeugen eigenhändig unterschrieben wird.
4. Pflichtteilsrecht
Wie in Deutschland räumt das österreichische Pflichtteilsrecht nahen Angehörigen einen schuldrechtlichen Anspruch auf Beteiligung am Nachlassvermögen ein, §§ 762 ff. ABGB.
Dem Ehegatten und den Kindern steht wie im deutschen Erbrecht die Hälfte des gesetzlichen Erbteils zu, den sie bekommen hätten, wären sie nicht enterbt worden, § 757 AGBGB:
„Pflichtteilsberechtigt sind die Nachkommen sowie der Ehegatte oder eingetragene Partner des Verstorbenen.“
Die Eltern sind seit dem 1. Januar 2017 nach österreichischem Recht nicht (mehr) pflichtteilsberechtigt, was ein wesentlicher Unterschied zum deutschen Recht ist.
Anders als im deutschen Recht kann der Erblasser zudem durch letztwillige Verfügung den Pflichtteil um die Hälfte mindern, wenn „zu keiner Zeit“ ein Naheverhältnis bestand, wie es in der Familie zwischen solchen Verwandten gewöhnlich besteht“, § 773a AGBGB.
Der vollständige Entzug des Pflichtteils ist möglich, wenn ein Enterbungsgrund vorliegt.
Die einzlnen Paragrafen zum österreichischen Erbrecht können Sie hier abrufen.
V. Erbschaftssteuer in Österreich
Nach dem Wegfall der Erbschaftssteuer in Österreich zum 31.07.2008 wurde das bis dahin geltende Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und Deutschland im Jahre 2008 gekündigt. Der Erwerb von einem Erblasser, der über Wohnsitze in Deutschland und Österreich verfügt, unterliegt damit ausschließlich der Besteuerung in Deutschland. Gleiches gilt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 c) ErbStG für Erblasser, die im Zeitpunkt des Erbfalls zwar nicht mehr über einen Wohnsitz in Deutschland verfügten, diesen jedoch erst fünf Jahre vor dem Erbfall nach Österreich oder in ein anders Land verlegt haben (sog. Wegzugsbesteuerung), sowie bei Wohnsitz des Erwerbers in Deutschland.
Wird eine Immobilie in Österreich vererbt und verschenkt, kann aber Grunderwerbsteuer anfallen, die neben einer etwaigen deutschen Erbschaft- oder Schenkungssteuer zu entrichten ist. Bemessungsgrundlage und Steuersätze für die Grunderwerbsteuer in Österreich wurden zum 01.06.2014 angepasst.
Eine Wiedereinführung der Erbschaftsteuer ist politisch derzeit nicht zu erwarten.
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