Erbrecht in Liechtenstein

I. Welches Erbrecht gilt vor einem Gericht in Liechtenstein?

Sind liechtensteinische Gerichte für die Verlassenschaftsabhandlung (= das Nachlassverfahren) zuständig, dann soll, soweit keine andere ausdrückliche Regelung per Testament getroffen wurde, liechtensteinisches Erbrecht angewendet werden. Ausgangspunkt der Zuständigkeit ist dabei der Belegenheitsort des Vermögens, wobei zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen unterschieden wird.

Art. 29 Abs. 3 IPRG gestattet es einem Erblasser, der nicht Liechtensteiner ist, durch letztwillige Verfügung oder Erbvertrag seine Rechtsnachfolge seinem Heimatrecht oder dem Recht des Staates seines letzten gewöhnlichen Aufenthalts zu unterstellen.

2. Anzuwendendes Erbrecht aus deutscher Sicht:

Das deutsche Recht knüpft bis zum Tag der Anwendung der EU-Erbrechtsverordnung am 17. August 2015 an die Staatsangehörigkeit des Erblassers an und wendet das Recht des Staates an, dem der Erblasser zuletzt angehörte.

Mit Anwendung der EU-Erbrechtsverordnung wird die Erbfolge einheitlich nach dem Recht des Staates bestimmt, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, sofern er keine anderweitige Rechtswahl getroffen hat.

Der Erblasser kann also entweder eine Rechtswahl zugunsten des Erbrechts seiner Staatsangehörigkeit treffen, oder er kann die gesetzlichen Regeln gelten lassen, nach denen das Erbrecht des Staates gilt, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte, sogenannte „confessio iuris“.

II. Einflüsse des ehelichen Güterrechts

Gesetzlicher Güterstand in Liechtenstein ist die Gütertrennung, § 1233, 1237 ABGB.

Das Vermögen der Ehepartner bleibt getrennt. Ein Ehepartner hat keinen Anspruch auf das Vermögen, das der andere Teil während der Ehe erworben hat. Das eheliche Güterrecht Liechtensteins hat auch keinen Einfluss auf die Höhe der Erbquote.

Abweichende Regelungen des Güterstandes können durch sog. Ehepakte vereinbart werden.

III. Rechtsnachfolge bei Anstalten und Stiftungen

1. Anstalten

Die Vererblichkeit einer Begünstigtenstellung besteht ausschließlich für durch Satzung bestimmten Begünstigungsempfänger.

Sogenannte Anwartschaftsbegünstigte besitzen dann einen vererblichen Anspruch, wenn die Begünstigung unwiderruflich und unabänderlich ist. Somit ist für die Vererblichkeit von Begünstigungsrechten das Bestehen einer weitgehend gesicherten Rechtsposition im Hinblick auf das „ob“ der Begünstigung erforderlich.

Gründerrechte umfassen insbesondere Einsichts- und Kontrollrechte sowie das Recht zu einer jederzeitigen Statutenänderung, zur Bestellung von Begünstigten und zur Festlegung ihrer Rechte.

Rechtsgrundlage für die Vererbung von Gründerrechten in Bezug auf eine Anstalt ist Art. 541 PGR. Hat der Erblasser weder eine Unabänderlichkeitserklärung noch eine wirksame erbrechtliche Verfügung über die Gründerrechte und auch keine Verfügung unter Lebenden auf den Todesfall über sie getroffen, und war er selbst in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht Gründerrechtsinhaber, dann fallen seine Gründerrechte in den Nachlass und gehen auf den Erben über.

2. Privatstiftungen

Bei liechtensteinischen Privatstiftungen verliert der Stifter mit Errichtung der Privatstiftung grundsätzlich den Zugriff auf das ausgegliederte Vermögen. Die Verwendung des Vermögens wird ausschließlich an den Willen des Stifters gebunden. Stifterrechte bestehen nur, wenn diese in den Statuten ausdrücklich vorbehalten wurden. Eine Vererbung dieser Rechte wird durch die Rechtsprechung abgelehnt.

Bei deutschen Erbfällen mit Bezug zu Liechtenstein kommt es regelmäßig zum Streit darüber, in welchem Umfang Gelder in eine Privatstiftung eingebracht wurden und dies Pflichtteilsergänzungsansprüche für die enterbten Kinder auslöst, § 2325 BGB.

IV. Materielles Erbrecht in Liechtenstein

1. Gesetzliche Erbfolge (Intestaterbfolge)

Hinterlässt der Erblasser kein gültiges Testament, greift die gesetzliche Erbfolge ein.

Diese ist als Familienerbfolge ausgestaltet: Neben dem Ehegatten sollen die nächsten Verwandten Erben sein.

Die Verwandten erben nach einem sog. Parentelsystem, § 720 ABGB. Die Parentelen kommen nacheinander zum Zuge. Die erste Linie bilden die Nachkommen des Erblassers, d.h. seine Kinder und deren Abkömmlinge. Die Erbschaft wird unter den Kindern nach Köpfen geteilt.

Die zweite Linie bilden die Eltern des Erblassers und deren Nachkommen, § 735 ABGB. Leben beide Elternteile so erben sie je zur Hälfte. Ist ein Elternteil vorverstorben, wird er durch seine Abkömmlinge repräsentiert.

Die dritte Linie bilden die beiden Großelternpaaren des Erblassers und ihre Nachkommen. Die vierte Parentel bilden die Urgroßeltern des Erblassers.

Der Umfang der Ehegattenquote hängt davon ab, welche Verwandten des Erblassers neben dem Ehegatten vorhanden sind:

Neben der ersten Parentel (Kinder des Erblassers) erhält der Ehegatte ein Drittel des Nachlasses. Kommt die zweite oder dritte Parentel zum Zuge, erhält der Ehegatte zwei Drittel des Nachlasses. Ist einer der Großeltern vorverstorben, fällt sein Erbteil ebenfalls an den Ehegatten, § 757 ABGB.

Gibt es keine Erben der ersten drei Parentelen, erbt der Ehegatte allein.

Der Ehegatte muss sich jedoch auf den gesetzlichen Erbteil all das anrechnen lassen, was er vom Erblasser aufgrund von Ehepakten oder einem Erbvertrag erhält, § 757 ABGB.

Neben seinem Erbteil steht dem Ehegatten unabhängig von seiner Berufung zum Erben ein gesetzliches Vorausvermächtnis zu. Der Voraus beinhaltet das Recht weiterhin in der Ehewohnung zu leben, und die zum Haushalt gehörenden Sachen zu benutzen, § 758 ABGB. Hat der Ehegatte von dem verstorbenen Ehegatten Unterhalt bekommen, besteht auch ein Anspruch gegen die Erben.

2. Testament und Erbvertrag

Der Erblasser kann abweichend von der gesetzlichen Erbfolge seinen Nachlass der gewillkürten Erbfolge unterstellen.

a. Testament

Durch die Errichtung eines Testaments kann der Erblasser einseitig frei bestimmen, wer sein Vermögen nach seinem Tode bekommen soll. Zur Gültigkeit des Testaments muss der Testierende testierfähig, § 566 – 569 ABGB, seine Testierabsicht muss frei von Willensmängeln sein und die Formvorschriften müssen eingehalten werden.

Der Testierende muss das eigenhändige Testament eigenhändig verfassen und unterschreiben. Fremdhändige Testamente setzten die eigenhändige Unterschrift des Erblassers sowie die Unterschriften dreier fähiger Zeugen voraus. Zwei der fähigen Zeugen müssen anwesend sein und der Erblasser muss zusätzlich eine Erklärung abgeben, dass dies seinem Letzten Willen entspreche (Bekräftigung).

Bei einem mündlichen Testament muss der Erblasser seinen letzten Willen in Anwesenheit von drei fähigen Zeugen erklären. Nach dem Tod des Erblassers müssen mindestens zwei der fähigen Zeugen den letzten Willen auf Verlangen durch eine übereinstimmende eidesstattliche Aussage bestätigen.

Im Rahmen des öffentlichen Testaments hat der Erblasser die Möglichkeit vor einem Gericht mündlich oder schriftlich zu testieren, §§ 587 – 590 ABGB. Vorausgesetzt wird die Mitwirkung eines Richters und einer besonderen Gerichtsperson.

b. Der Erbvertrag

Der Erbvertrag ist ein zweiseitiges Rechtsgeschäft zwischen dem Erblasser und dem Erben, durch das Erbe unwiderruflich zum Erben berufen wird. Nach liechtensteinischem Recht kann ein Erbvertrag nur zwischen Ehegatten geschlossen werden, § 602 ABGB.

Die gültig verheirateten Eheleute müssen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geschäftsfähig, testierfähig sowie erbfähig zum Zeitpunkt des Erbfalls sein. Darüber hinaus muss der Erbvertrag schriftlich geschlossen und beglaubigt werden, §§ 1249 i.V. m. 1217 ABGB. Da es sich um einen bindenden Vertrag handelt, kann er nicht einseitig widerrufen werden.

c. Vermächtnis

Ein Vermächtnis ist eine Zuwendung von Todes wegen, die nicht in der Hinterlassung eines Erbteils besteht, sondern der Vermächtnisnehmer erhält Vermögenswerte zulasten des Nachlasses, die er mit einer Vermächtnisklage geltend machen kann. Ein Vermächtnis kommt gültig zustande, wenn es von einem testierfähigen Erblasser durch eine rechtswirksame letztwillige Verfügung hinterlassen wird.

3. Pflichtteilsrecht

Durch das Pflichtteilsrecht erhalten bestimmte Personen unabhängig von ihrer Vermögenslage einen gesetzlich fixierten Mindestanteil am Nachlass. Das Pflichtteilsrecht ist ein Forderungsrecht gegen den Nachlass, das ausschließlich den Anspruch auf eine bestimmte Geldsumme gewährt.

Die Kinder und der Ehegatte erhalten als Pflichtteil die Hälfte dessen, was sie als gesetzliche Erben bekommen hätten, § 765 ABGB. Bei den Eltern beträgt der Pflichtteil ein Drittel des gesetzlichen Erbteils. Der Pflichtteilsberechtigte muss sich alles, was er von dem Erblasser durch letztwillige Verfügung erhält, auf den Pflichtteil anrechnen lassen.

4. Nachlassabwicklung

Das sog. Verlassenschaftsverfahren ist ein amtswegiges Verfahren, in welchem die gerichtliche Ermächtigung erteilt wird, die Erbschaft in Besitz zu nehmen.

Zweck des Verfahrens ist die Übergabe des Nachlasses an die rechtmäßigen Erben unter gerichtlicher Aufsicht.

V. Erbschaftssteuern und Gebühren

Die Erbschaftssteuer wird in Liechtenstein in die Nachlass- und Erbanfallsteuer aufgegliedert. Erbschaften werden damit in zwei Stufen besteuert. Zunächst wird das Entstehen der Verlassenschaft im Todeszeitpunkt und anschließend der Vermögenszuwachs einer Person bei Anfall der Verlassenschaft besteuert.

Steuerschuldner sind die Erben, die Steuern sind vor Verteilung der Erbschaft zu entrichten. Sowohl die Nachlass- als auch die Erbanfallsteuer gestalten sich progressiv, d.h. die Höhe der Steuern hängt vom Wert des Nachlasses, vom Wert des dem Erben zugewandten Vermögens und der Grad der Verwandtschaft ab.

Private Anstalten und Stiftungen, die ihren Sitz im Lande haben und die Voraussetzungen des Art. 94 II STeG erfüllen, kann durch Regierungsbeschluss Ermäßigung oder Nachlass der Steuern eingeräumt werden.

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