und deutsch-dänische Erbfälle
1. Welches Erbrecht gilt?
Welches Erbrecht gilt, wenn ein Erbfall Bezug zu Deutschland und zu Dänemark hat?
a) Dänemark folgt gewohnheitsrechtlich dem sog. „Domizilprinzip“. Danach wird das Erbrecht desjenigen Staates angewendet, in dem jemand zuletzt gewohnt hat und dauerhaft seinen Lebensmittelpunkt haben wollte.
Aus europäischem Recht ergibt sich für Dänemark nichts anderes, denn das Land hat – zusammen mit Irland und Großbritannien – beschlossen, nicht Vertragspartei der sog. EU-Erbrechtsverordnung zu werden, die für Erbfälle nach dem 16. August 2015 gilt.
Nach der EU-Erbrechtsverordnung gilt künftig das Erbrecht desjenigen Landes, in dem der Erblasser seinen „letzten gewöhnlichen Aufenthalt“ hatte. Hier gibt es feine Unterschiede zum oben genannten „Domizilprinzip“ nach dänischem Recht.
Zudem sieht die EU-Erbrechtsverordnung Rechtswahlmöglichkeiten vor, die das dänische Recht nicht kennt.
Achtung: Mitgliedsstaaten, die sich für die EU-Erbrechtsverordnung entschieden haben, wenden diese auch im Verhältnis zu Dänemark an. Die Verordnung gilt aus Sicht dieser Staaten universell („loi uniforme“, Art. 20 EU-ErbVO).
Dänische Staatsbürger, die im europäischen Ausland leben, kommen in jedem Fall mit den neuen Regelungen der EU-Erbrechtsverordnung in Berührung.
b) Deutschland knüpft bis zum Tag der Anwendung der EU-Erbrechtsverordnung, also für Erbfälle am oder vor dem 16. August 2016, an die Staatsangehörigkeit des Erblassers an und wendet das Recht desjenigen Staates an, dem der Erblasser zuletzt angehörte.
Daraus ergeben sich für manche Erbfälle Unterschiede und für manche nicht. Dies zeigen die folgenden Beispiele:
Fall 1: Ein dänischer Staatsbürger verstirbt am 10. Oktober 2014 an seinem Wohnort in Berlin – vor Anwendung der EU-Erbrechtsverordnung.
aa) Deutsches Recht
Aus deutscher Sicht ist – wegen der Staatsangehörigkeit des Erblassers – das gesamte dänische Recht anzuwenden. Da das internationale dänische Erbrecht aber an das „Domizilprinzip“ anknüpft und wegen des Wohnortes in Berlin auf das deutsche Recht abstellt, wird der Ball nach Deutschland „zurückgespielt“. Diesen sog. renvoi nimmt das deutsche Recht an und es gilt im Ergebnis deutsches Recht.
bb) Dänisches Recht
Nach dem dänischen „Domizilprinzip“ ist auf den Fall allein deutsches Recht anzuwenden.
Fall 2: Ein deutscher Staatsbürger verstirbt am 10. Oktober 2014 an seinem Wohnort Kopenhagen.
aa) Deutsches Recht
Für deutsche Staatsangehörige mit letztem Wohnsitz in Dänemark gilt nach deutschem internationalem Erbrecht deutsches Recht: Es kommt für Erbfälle am oder vor dem 16. August 2015 allein darauf an, welche Staatsangehörigkeit der Erblasser hatte.
bb) Dänisches Recht
Nach dänischem internationalen Erbrecht gilt allein dänisches Recht.
Eine Lösung für diesen sogenannten „Dissens“ gibt es nicht. Im Ergebnis kommt es deshalb darauf an, in welchem Land die Erbauseinandersetzung geführt wird. Dies ist in aller Regel das Land, in dem sich das Vermögen befindet. Geht die Sache vor Gericht, kann es in Deutschland zu einem anderen Urteil kommen als in Dänemark. Eine „rechtlich saubere“ Lösung für dieses Problem gibt es nicht; man muss dann verhandeln.
Fall 3: Ein in Berlin wohnhafter Däne verstirbt dort am 1. Januar 2016. Er hinterlässt unter anderem ein Haus in Esbjerg. Eine Rechtswahl zu Gunsten des dänischen Rechts nach der EU-Erbrechtsverordnung liegt nicht vor.
aa) Deutsches Recht
Für den Erbfall gilt ausschließlich deutsches Recht, Art. 21 EU-Erbrechtsverordnung. Die Verordnung wird auch auf Angehörige von Mitgliedstaaten angewendet, die der Verordnung nicht beigetreten sind.
bb) Dänisches Recht
Hatte der in Berlin verstorbene Däne seinen Wohnsitz dauerhaft in Deutschland („Domizil“), so wird auch aus dänischer Sicht deutsches Recht angewendet – selbst dann, wenn Immobilien in Dänemark vererbt werden.
Eheliches Güterrecht
Einfluss auf das wirtschaftliche Ergebnis einer Erbauseinandersetzung hat auch das zwischen den Ehegatten geltende und im Einzelfall zu bestimmende familienrechtliche Güterrecht.
In Dänemark ist die Gütergemeinschaft die Regel. Anders als im deutschen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, in dem die Vermögen der Ehegatten getrennt bleiben, „verschmilzt“ das Vermögen der Ehegatten zu gemeinschaftlichem Vermögen. Dies kann sich wirtschaftlich zu Gunsten des überlebenden Ehegatten auswirken (siehe „gesetzliche Erbfolge“).
Nach dänischem internationalen Familienrecht gilt in der Regel das Güterrecht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewohnt haben. Nach deutschem internationalen Familienrecht kommt es auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Eheleute, hilfsweise auf ihren gemeinsamen Aufenthalt bzw. sonstige enge Verbindungen zu einem bestimmten Staat an.
Die wichtigsten Abweichungen zum deutschen Erbrecht
Das dänische Erbgesetz (= Arvelov, nachfolgend: ARL) weist folgende Unterschiede zum deutschen Erbrecht auf:
Gesetzliche Erbfolge
Die gesetzliche Erbfolge wird – wie das deutsche Erbrecht – von der Erbfolge nach Ordnungen und Stämme bestimmt. Zu den Einzelheiten beraten wir Sie gerne.
Vom deutschen Recht abweichend ist von vornherein das Erbrecht des Ehegatten. Dieser erbt neben Abkömmlingen zu 1/2 (bei Erbfällen vor dem 01.01.2008: zu 1/3). Haben die Ehegatten zudem im gesetzlichen Güterstand der Gütergemeinschaft (nicht: Zugewinngemeinschaft wie in Deutschland) gelebt, erhält der überlebende Ehegatte vorab seinen Anteil am Gesamtgut. Zusätzlich können dem überlebenden Ehegatten pauschale Geldbeträge und sogenanntes Vorbehaltsgut zustehen.
Insgesamt hat der Ehegatte damit eine stärkere Stellung als nach deutschem Recht.
Testament und Erbvertrag
Das dänische Recht kennt auch Testamente und Erbverträge, bei denen jedoch Besonderheiten gelten: Unwirksam ist etwa die Übertragung einer erwarteten Erbschaft.
Ein gemeinschaftliches Testament kann auch von nicht miteinander verheirateten Personen errichtet werden. Dazu müssen diese – vereinfacht gesagt – „wie in einer Ehe“ leben.
Das gemeinschaftliche Testament ist nur bindend, wenn die Beteiligten dies ausdrücklich so vereinbaren.
Pflichtteil
Der Pflichtteil (twangsarv) ist nach den §§ 25, 26 ARL der Teil des Nachlasses, über den der Erblasser nicht verfügen kann.
Testamentarische Verfügungen, die den Pflichtteil verletzen, müssen aber nicht angefochten werden, sondern sind automatisch unwirksam. Anders als in Deutschland ist das Pflichtteilsrecht damit – wie z.B. auch in Frankreich – als sogenanntes Noterbrecht ausgestaltet: Der Pflichtteilsberechtigte ist unmittelbar und dinglich am Nachlass beteiligt und steht rechtlich nicht – wie in Deutschland – außerhalb des Erbenkreises.
Seit dem 01.01.2008 beträgt der Pflichtteil nur noch ein Viertel des gesetzlichen Erbteils. In Abweichung zum deutschen Recht sind nur der Ehegatte und die Abkömmlinge des Erblassers pflichtteilsberechtigt, nicht hingegen die Eltern.
Das dänische Recht sieht die Möglichkeit vor, den Pflichtteil auf einen bestimmten Betrag zu begrenzen – dies kann für dänische Staatsbürger, die in Deutschland leben und nach deutschem Recht beerbt würden, eine sinnvolle Gestaltungsmöglichkeit sein.
Für Abkömmlinge, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kann der Pflichtteil zusätzlich beschränkt werden.
Erbschaftsteuer in Dänemark
Für Erbschaften und Schenkungen mit Bezug zu Dänemark und Deutschland gilt das Deutsch-Dänische Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) vom 22. November 1995 (Dänemark: Lovtidende C Nr. 158 vom 6. Dezember 1996).
Zum Anwendungsbereich dieses Abkommens berate ich Sie gerne.
Zusätzlich zur Erbschaftsteuer kann der in Dänemark juristisch eigenständige Nachlass der Einkommensteuer unterliegen.
Das hierfür gesondert geltende Nachlasssteuergesetz sieht ab einem bestimmten Wert eine eigene Versteuerung der Einkünfte des Nachlasses mit 50 % vor (z. B. wenn ein zum Nachlass gehörendes Unternehmen mit Gewinn veräußert wird). Das dänische Erbschaftsteuergesetz findet bei hinreichenden räumlichen Bezügen zu Dänemark Anwendung. Dies ist etwa der Fall bei dänischem Wohnsitz oder wenn sich Immobilien in Dänemark befinden.